HYSTERIE ! [logo]Von Mösen und Mäusen

PHETTBERGS PREDIGTDIENST (Nr. 627)
für Falter 39/04 – erscheinend Di. 21.9.2004 abends

von Hermes Phettberg
 

… Dieses Sakrament stärke uns an Leib und Seele und mache uns bereit, mit Christus zu leiden, damit wir auch mit ihm zur Herrlichkeit gelangen …

Schlussgebet am 26. Sonntag im Jahreskreis

Der Siebensternplatz im 7. Bezirk, mit der Autobushaltestelle des 57A und der Straßenbahnhaltestelle des 49ers, ist vielleicht der Ort, wo die Welt sich zuende geträumt hat. So will sie in Ruhe altern mit ihren schweren Homo Sapiens, die sich auf ihr gebildet haben. Die Grünen regieren dort, von denen ich mich natürlich abgewendet habe, bin jetzt Kommunist bei Wahlen. Aber der Siebensternplatz als grüner Vatikan ist natürlich groß. Wollen die Grünen jetzt die Schwarzen reparieren, wie sie vorher die Sozialdemokraten repariert haben? Ich kann doch kein Interesse daran haben, dass die Schwarzen – von Grünen durchspickt – gut werden. Das wäre ja dann eine Ausgeburt Günther Nennings: Alle sitzen am Siebensternplatz schmausen und segnen einander. Und wenn noch einys irgendwo die kleinste Not erleidet, hüsteln sie einander über die Tische hinweg zu, wo noch eine winzige Perfektion hinzugefügt werden könnte. Indem du täglich oder wöchentlich kolumnierst, deine Künstlichkeit, die du aus dir machtest weiterschreibst. Satz für Satz also denkst und während du ihn schreibst, merkst, dass er nicht haltbar ist und um eine Nuance also verschiebst, und so steinalt werden kannst, wie nur eine felsenfest ins Herz des Volkes gerammte Kronenzeitung, die ich jetzt seit langem wieder einmal kaufte, und feststellte, dass sie seit 1. Jänner 2001, der Währungsumstellung, wo sie punkt 10 Schilling kostete, also 73 Cent, macht 27 Cent Trinkgeld, nun schon 90 Cent kostet, macht nur mehr 10 Cent Trinkgeld. Während unser tapheres Falterlein 2,05 Euro weiterhin kostet ununterbrochen. Haben die gierigen Greise dem Volk Milliarden Erhöhung entzogen, was natürlich für die Regierung gut ist, mehr Umsatz, mehr Wachstum, nur ja keine Deflation, geht die stille Post.

Eine Konditorei, mit handgemachten belegten Brötchen, wo ich immer wartete, wenn ich zu einem meiner vielen Psychiater ging, Dr. Nest, der auch am Platz hier wohnt, Wirtshäuser, wo früher die kommunistische Volksstimme ihre Niederlage hatte, nun das große 7Stern, das kommunistische Kulturzentrum. Auch schon der Z-Club war da, wo ja der Untergrund akkreditiert wurde, und wo das Geld zu fließen begann, auch der Z-Club war dort, wo ja alles begann, "die schnellen Jahre", aus dem Kosmos-Kino wurde das Frauen Theater, der Kosmos Frauenraum, elegant und urban, jetzt nur "Kosmos" genannt, weils alle wissen, und dort hinein ging ich, weil mich der gigantische Katlein mit Gewalt hinschleppte, denn Miki Malör (www.maloer.org) hat ein Stück geschrieben, wo sie mir auch ihre Möse zeigte. Sie sitzt in einem Sektor, fängt täglich eine Maus, und klebt sie an die Wand mit Gafferstreifen, dort hängen sie Schwanz an Schwanz und fingen sich. Meine erste Nackte sah ich bei der "Arena 70", wie sich der junge Teil der Wiener Festwochen 1970 nannte, und alles aufbrach, es spielte in den vielen unterirdischen Stockwerken jenes Theaters, der danach das "Casanova Revuetheater" wurde, mit Strip Tease und Bars. Plötzlich stand dort eine Nackte und rund um sie spielten sie wild Theater. Ich war so erschrocken, hatte noch nie eine Nackte gesehen, mir überhaupt nicht vorstellen können, dass das überhaupt geht, dass eine Frau nackt sein kann.

Viel später erst kriegte ich dann ein Foto von Armin Thurnher zu sehen, wie er als süßester Kerl und Theaterwissenschaftstudierender mit langen Haaren im Rahmen der "Arena" im Zwanzger Haus ein himmlisch wildes Theaterstück mit aufführte. Das war ein Theatergehen damals, und dann noch die vielen Shakespearaufführungen Hans Gratzers im Schauspielhaus. Ich war so hingerissen von dieser Wildheit damals in den Theatern meiner Jugend. Und dann wurde es immer schrecklicher für mich, ins Theater zu gehen. Immer ging ich betropitzter heraus, als ich doch irgendwie munter hineinging. Und hatte wahrscheinlich mich so zugrunde gerichtet, dass ich nimmermehr gefesselt werden konnte. So ja auch, nie mehr sexuell verwendet werden konnte. Aber komisch jetzt habe ich meinen Greisenarsch so bereit, dass ich zu jeder Minute mit dem Gürtel des Passanten geprügelt werden könnte, bis ein Rohrstock in Griffnähe käme, dann mit dem. Was sicher ein ganz anderes Arschgefühl jetzt ist, als früher, wo eine gewisse Angst immer war, dass ich im Moment, wo der SM anstünde, ich es nicht durchstehen würde. Diese Angst ist jetzt in eine Bereitschaft übergegangen, auch egal.

Also ich ging wirklich mit Schrecken ins Kosmos vorigen Mittwoch zur Premiere von Miki Malörs "Hysterie". Also alle Angst saß mir im Nacken, wie der grüne Kardinal Wolfgang Zinggl, also nicht der vom Antiquariat "Buch&Wein", sondern der von der Wochenklausur, saß auch dort, und seine Wangen wurden rot. Wenn du gefesselt bist, nackt an allen Enden, und der Sado greift sich deinen Schwanz, zieht ihn heran, wie beim Seilziehn, um dir mit der anderen Hand auf die Eier zu knallen, hast du auch eine gespannte Körpersprachlichkeit, auch im Gesicht, wo dir zur Gnade die Augen hoffentlich verbunden werden. Als Schwuler hab ich ja keine Ahnung von der Nacktheit der Frauen. Mich könnte eine fotographische Manipulation ständig betrügen über die Gestalt der Vulva. Mir könnte alles erzählt werden. Aber so eine ist Malör nicht. Sie ist – wo wir schon in der Woche der Cousinen sind – meine herzinnigste wirkliche Cousine, die mir nie ein Leid zufügen würde. Sie könnte es nicht, würde erröten wie Zinggl. Aber trotzdem, ich wähle kommunistisch!

Also Miki Malör hat ein Stück geschrieben über die Hysterie. Und es wurde ein geniales Bühnenbild gebastelt. In der Mitte eine Zündholzschachtel ähnliche, winzige Box, wo sich 5 todeswütige Darstellerinnen und 1 todesbereiter Darsteller zwängen, ziemlich lang, vom Einlass bis zum Beginn, mucksmäuschen versteckt, und aus der Zündholzschachtel gehen sechs Mäuer weg, wie Gegensonnenstrahlen, mausgrau. Bilden also sechs Sektoren, die in sechs Zuschauerblöcke münden, wo die sitzen und schauen. Und ein Türchen führt von jedem Sektor in das Zündholzschächtelchen, damit sie sich verstecken können, wenn der Ansturm kommt. Oh wenn dies in New York gespielt würde, brächten sie es auf der ersten Seite. So offen wie der österreichische 22jährige olympische Vizeschwimmsieger wurde, allein weil er einmal eine Weile in den USA war. Ein ganz ausgewechselter Österreicher auf einmal. Oh hätte ich doch Geld, ein Jahr in New York mit eiskaltes Soda leisten zu können. Bräuchte ich dann vielleicht gar keines mehr. Und also die wilden 6, die sich da aufführen, sind eine wilde Wucht, wie sie es 1970 sicher gewesen wären, und wo waren die jetzt alle die vielen Jahre versteckt in ihrer Zündholzschachtel. So entzündet hat sie die Autorin und Regisseurin Miki Malör. Sie schonen sich nicht. Sie sind bereit zum Leiden wie Christus, um mit ihm in die Auferstehung zu gelangen. Wären wir ja alle gerne, die haben ja nichts von der Kreuzerhöhung gewusst, wie es vertieft werden kann, das Leiden, wie es schon da ist, unser Leiden, haben die Bibelschriftstellys ja nicht ahnen können, was alles leiden kann. Sie sitzen in ihren Sektoren, mit ihrer winzigen Kammer, was ja nicht sein kann, dass in der geheimgehaltenen Zündholzschachtel jedys eine Kammer hätte. Sie müssen sich berühren im Geheimen. Aber in ihren Sektoren können sie es nicht. Die grauen Mauern, wie ein ewiger Menschheits-Narrenturm der Unerreichbarkeit. Oder wie Dieter Chmelar es zu Helmut Brandstädter in den Stadtgesprächen von PulsTV es beschrieb, wo Einzelgänger so sehr nach Gruppensex schmachten. Ich fühlte mich ins Herz getroffen. Sie explodieren aus ihrer Zündholzschachtel heraus, wo ein Atlas unter Säufzen und Krächzen die Mauern muskulös die Mauern in Kreis herum dreht, unendlich mühsam stemmt er sich dagegen und mit größter Anstrengung hat ers geschafft. Und am schluss wirbeln die sechs Sektoren im Kreis und erzeugen einen Wind. Alle Mauern auf Rädern, eine bühnenbildnerische Sensation.

Frauen sind also gar nicht so. Sie kacken auf der Bühne, sie spucken, sie zeigen ihre angeklebten Nudeln. Wo blieb die Vorhaut des Herrn, oder überhaupt, was tun mit Weggeschnittenen weiblichen und männlichen Beschneidungen? Da geht wohl jede Gleichberechtigung zu weit! Wie dumm wir werden können. Da ich ja nie Frauen sah, als Schwuler, so wenn die Jahre sich wie in einem schwarzen Loch ziehen, das ist ja überhaupt der Grund warum wir, die Lichtstraße, uns so hinziehen, so kurz vorm schwarzen Loch. Und jetzt sah ich in "Hyterie" im Cosmos, im Zeitlupe, wie die Tage sich endlos ziehen, in rasender Geschwindigkeit, wie wir leiden, 6 Leute, sechs Mauern.Und die Mauern stehen auf Rädern und bilden also Mauerrad auf Rädern, die unter Mühen und Geächtze gedreht werden müssen, von Sektor zu Sektor, damit jeder der 6 Zuschauerränge im Sechseck, alle sechs Segmente der Bühne, wo die Mauern alles verstecken, einsehen können. Wären sechsunddreißig Stücke, und damit es aber nur 2 Stunden dauern kann, wo sie leiden, und minutiös die Gesten des Leiden uns ihre Entladung genau einstudieert haben, dann kommt der Übertritt, und die Räder und Mauern sausen, bleiben wie im Lotto irgendwo stehen. Und sie denken nicht, weiterzuspielen. Spielen nur 30 Anfälle. Sodass jedes Zuschauy um seinen spannendsten Sektor betrogen wird. Was als Sahnehäubchen, wie die Süße der Vorhaut des Herrn, darüber wie Staubzucker – alt wie die ist – gestaubt wird. Malör beginnt die Hysterie zu feiern, sie dem Kanon der Lebenskunst einzufügen. Eine sammelt den Standard, eine liebt wie vom Teufel besessen und stößt alle ab, einer hat überhaupt nur mehr Matratzen, das war der Meine, den sie mich nicht sehen ließen, eine zieht sich ständig an, versucht den Dildo anzubringen, eine Schamanin, die alles notiert, und die Miki die uns über Kopfhörer Opern vorspielt, und dabei wie einen Sektor immer wieder ihre Beine breit macht, ihre Muschi zeigt, mit Fuchsschwanz, mit Brillen, mit russischer Haube, und schlussendlich – voll Pracht – im Gestrüpp ihrer Schamhaare. Es ist nicht zuletzt eine deutliche Warnung, sich nicht die Schamhaare wegzurasieren. Die Mikroben sind kleiner, als eure armseligen Rasierapparate. Und kaum schaut ihr weg, sitzen die Bösen schon wieder auf euren Mösen. Geht ins Kosmos, bevor sie's in New York entdecken!

SA. 18. SEPTEMBER 2004, 14:37 UHR